Elemente einer Theologie der Eucharistie (Teil 1)

 

 

Eucharistie als Inbegriff der Sendung Jesu

Jesu Leben, Lehren und Wirken war wesentlich bestimmt durch die Proklamation der Basileia (Mk/Lk: βασιλεία τοῦ ϑεοῦ „Reich Gottes“; Mt: βασιλεία τῶν οὐρανῶν „Himmelreich“). Die Übersetzungsversuche geben jeweils bestimmte Aspekte dessen wider, was Basileia im Vollsinn bezeichnet: In erster Linie ist das „Königsein“ bzw. die „Königsherrschaft Gottes“ gemeint, von hier aus abgeleitet dann auch der Machtbereich, wie es in „Reich Gottes“ oder „Himmelreich“ anklingt. Der Begriff selbst begegnet innerhalb des Neuen Testaments fast ausschließlich in den synoptischen Evangelien, davon überwiegend in Jesus-Logien.

 

Basileia-Vorstellung in der Tradition Israels

Die Vorstellung von der Königsherrschaft Gottes findet sich bereits in der Tradition Israels. Das Motiv begegnet verbreitet im Orient und wurde im Zusammenhang mit der Staatenbildung Israels auf JHWH übertragen. Die orientalische Auffassung, dass die Gottheit König des Landes und der Menschen, dieses göttliche Königtum aber mit dem irdischen Königtum innerlich verbunden ist und sich in diesem manifestiert, war auch in den monarchisch geprägten Stadtstaaten Kanaans lebendig. Mit der Reichsgründung Israels, der Einführung der Monarchie, der Errichtung des Tempels in Jerusalem als dem fortan festen Sitz der Bundeslade, dem Symbol für JHWHs Gegenwart in Israel, und mit der Assimilierung der Städte ringsum ging zusammen mit den kanaanäischen Götterattributen, insbesondere des Gottes El, der als König aller Götter verehrt wurde, auch die Zionstradition sowie der Gebrauch des Königstitels (מלך/mlk) auf JHWH über. Die fremden Mächte und Götter anderer Völker galten dementsprechend als JHWH untergeben, gleichsam seinem himmlischen Hofstaat zugehörig: Die Seraphim galten als mit der himmlischen Anbetung JHWHs betraut, die Bundeslade wurde als Cherubimthron angesehen.

Als Konsequenz aus der direkten Konfrontation mit den religiösen Kulten anderer Völker tritt der Alleinverehrungsanspruch JHWHs immer stärker in den Vordergrund (z.B. Hosea). Der Prophet Elija wendet sich während einer Epoche des Synkretismus entschieden gegen den Baalskult seiner Zeit und predigt dagegen Jahwes Einzigkeit. Seit exilischer Zeit spitzt sich die JHWH-Verehrung auf einen Monotheismus im strengen Sinn zu. Mit der Universalisierung des JHWH-Glaubens wird die Nichtigkeit anderer Gottheiten für Israel selbstverständlich. JHWH erscheint nun nicht mehr nur als der Richter Israels, sondern auch als der Richter der ganzen Welt, als Gott und König aller Völker, der keinen Raum mehr für andere Götter lässt.

Der Schöpfungsgedanke, der in Israels Umwelt begegnet (vgl. babylonischer Schöpfungsmythos „enuma eliš“), wird in umgeprägter Form in das für Israel erfahrbar gewordene geschichtsmächtige Heilshandeln JHWHs einbezogen (Deuterojesaja, deuteronomistisches Geschichtswerk, nachexilische Propheten). In der Perspektive des Schöpfungsgedankens ist JHWHs immerwährendes, universales Königtum durch seine Schöpfungstat begründet. Allein von ihm ist die innere und äußere Wiederaufrichtung Israels zu erwarten. Jeremia verheißt einen neuen Bund, Deuterojesaja spricht von einem neuen Exodus. Damit aber tritt mit Blick auf die Königsherrschaft JHWHs der Aspekt der hoffnungsvollen Zukunftserwartung verstärkt in den Vordergrund, nachdem in vorexilischer Zeit in erster Linie der Rückbezug auf die bereits erfahrene Heilsgeschichte (Gott der Väter) bestimmend war. Das Volk lebt fortan in der Erwartung, Gott werde einen Messias senden und durch ihn Israel wieder aufrichten. Einzelne Gruppierungen haben dies im Sinne einer nationalpolitischen Aufgabe verstanden. In der spätjüdischen Apokalyptik verschärft sich zudem die Auffassung einer Entgegensetzung zwischen dem gegenwärtigen Zeitalter, das einem katastrophalen Untergang entgegen geht, und einem künftigen, neuen Äon bis hin zum Dualismus (vgl. Daniel, äthiopisches Henochbuch). Unter Rabbinern blieb allerdings auch eine präsentische Form der Erwartungshaltung lebendig: Wenn der Mensch der Herrschaft Gottes Raum gibt und das Joch der Himmelsherrschaft auf sich nimmt, dann wird diese bereits in der Gegenwart wirksam, auch wenn sie – so die allgemeine Erwartung in Israel – erst am Ende der Zeiten vollends offenbar wird.

 

Proklamation der Basileia als Zentrum der Sendung Jesu

Jesus greift die biblische Vorstellung von der Königsherrschaft Gottes auf, rückt sie in die Mitte seines Lebens und macht sie zum Inbegriff seiner Botschaft. Diese ist ganz auf das Reich des Vaters, nicht etwa auf eigene Entwürfe, hin ausgerichtet. Weil dieses Reich ganz und gar Gottes Reich ist, bleibt es jeglicher Verfügbarkeit entzogen. Es kann daher nur von Gott empfangen, nicht aber durch Menschen oder Mächte – etwa politisch oder militärisch – aktiv herbeigeführt werden, zumal es die Welt wesentlich überragt. Einerseits spricht Jesus von der Erwartung der Basileia als etwas kommendem, andererseits verkündet er ihr Gegenwärtigsein, das schon angebrochen und bereits da ist. Dieses Aufgespanntsein der Basileia zwischen präsentischer Heilswirklichkeit Gottes und dem futurisch zu erwartenden Tag JHWHs zeigt an, wie sehr die Basileia, die Jesus proklamiert, eine Wirklichkeit eigenen Typs ist: Die Königsherrschaft Gottes bleibt dem Bereich Gottes zugehörig und transzendiert insofern Welt und Geschichte, zugleich aber wirkt sie in das Volk, das Gott sich erwählt hat, hinein und durchformt seine ganze Schöpfung wie ein immanentes, teleologisches Formprinzip von innen her. Das heißt: Die Basileia ist eine eschatologische Wirklichkeit.

Jesus spricht von der Basileia in vielfältigen Bildworten. Diese Gleichnisse Jesu sind in der damaligen Lebenswelt seiner Zuhörer verortet, die überwiegend ganz einfache Menschen waren. In den Schriften der Evangelien, die in einem gewissen zeitlichen Abstand zu Jesu irdischem Leben und überdies aus österlicher Perspektive geschrieben sind, erscheinen die Gleichnisse zuweilen allerdings wie nachträglich in den Erzählfluss hineinverwoben und damit der konkreten Situation ihres ursprünglichen Kontextes enthoben. So ergibt sich mitunter der Eindruck, bei Jesu Gleichnissen handele es sich um rätselhafte, dunkle Rede, die im Bild eine davon zu unterscheidende Sachaussage zu chiffrieren sucht und insofern der Interpretation bedarf. Dagegen ist festzuhalten: Jesu Lehre ist keine Gnosis, keine verborgene Mitteilung eines geheimen Sonderwissens exklusiv für Eingeweihte. Im Gegenteil: Jesus kehrt in seiner Verkündigung sein innerstes zuäußerst und spricht gerade den einfachen Menschen auf dem Land in Galiläa in einer für sie verständlichen, anschaulichen Redeweise Gottes Liebe zu.

Jesus hat die Basileia mehr als nur im Wort verkündet. Er hat sie zeit seines öffentlichen Wirkens mit seinem ganzen Lebenseinsatz in Wort und Tat zum Ausdruck gebracht. Jesus macht die Zusage des Heils von Gott über das Wort hinaus für seine Adressaten erfahrbar. Zöllnern und Sündern vermittelt er den Zuspruch der vergebenden Liebe Gottes, des Vaters, und hält darüber hinaus vielfach festliche Mahlgemeinschaft mit ihnen, ein Zeichen, das in der antiken Kultur Gewicht hat.

Das sich Bahn brechende Heil, das von Gott kommt und im heilbringenden Wirken Jesu sichtbar wird, erscheint in der Verkündigung der Evangelienschriften vielfach in der Perspektive des Wunderbaren. Das 1. Jhd. ist zweifelsohne eine Epoche, in der vielfach von Wunderheilern die Rede ist. In Israel wurden Elija und Elischa als Thaumaturgen, d.h. als Wundertäter verehrt. In den ältesten christlichen Zeugnissen allerdings spielen Wundererzählungen keine Rolle. Bei Paulus sucht man sie vergeblich; in der Logienquelle finden sich lediglich die Erzählung vom Hauptmann von Kapharnaum (Mt 8,5-13) sowie die Dämonenaustreibung (Mt 12,22 f. als Basis für das darauffolgende Streitgespräch). Erst im Mk-Evangelium begegnen zahlreiche Wunder- und Exorzismuserzählungen, die im Dienst der Christus-Verkündigung stehen. Dort nehmen die Wundererzählungen einen verhältnismäßig breiten Raum ein. Sie stehen vielfach im Zeichen der exorzistischen Überlegenheit Jesu im Kampf gegen die dämonischen Mächte des Bösen. Bei Mt klingen Heilungswunder zwar an, erscheinen jedoch den großen Redekompositionen und Jesusworten nachgeordnet. Joh spricht von „Zeichen“ (σημεῖα) insbesondere im Hinblick auf Leiden, Tod und Selbstmanifestation des Auferstandenen und stellt von hier aus auch die übrigen der insgesamt sieben Zeichen Jesu dar, in denen Gottes Herrlichkeit aufscheint (vgl. S.15). An vielen der neutestamentlichen Wundererzählungen ist der österliche Zusammenhang unverkennbar. Dies betrifft insbesondere die Epiphaniewunder, Totenerweckungen und wunderbaren Speisungen. Aber auch bei den übrigen Heilungs- und Exorzismuserzählungen geht es primär um die Verkündigung der Botschaft von Jesus, dem Christus, nicht aber um Protokollaufzeichnungen. Letzteres können die Evangelien von ihrem Wesen her nicht sein (vgl. das Prinzip des Redigierens im Dienst der Wahrheitsdarstellung unter Akzentuierung der eigentlichen Aussage in der antiken Geschichtsschreibung). In den vielfältigen Wundererzählungen kommt das Zeugnis für Gottes erfahrbar gewordenes Heilswirken zum Ausdruck; dies hat seine vorösterliche Entsprechung im vielfältigen Heilshandeln Jesu.

Durch seine Proklamation der Basileia, insbesondere durch ausdrucksstarke, prophetisch anmutende Heilszeichen mit Signalwirkung wie etwa die Mahlfeiern mit Zöllnern und Sündern gerät Jesus vielfach in Konflikt mit den gesellschaftlich akzeptierten, politisch korrekten und religiösen Gepflogenheiten seiner Umwelt. Allerdings erscheint diese Konsequenz für Jesus unausweichlich, weiß er sich doch allein Gott, seinem Vater, verpflichtet. In der Zuspitzung bedeutet dies, Gott zu gehorchen statt den Menschen gefällig zu sein, auch wenn dies zu Konflikten mit jenen führt, die über die Bewahrung der Traditionen Israels, die Interpretation der Thora und der Propheten, von Standes wegen wachen. In Galiläa gerät Jesus in Auseinandersetzungen mit den Pharisäern, in Jerusalem schließlich kurz und heftig mit den als Hohepriester herrschenden Sadduzäern. Diese forcieren eine politische Lösung mithilfe der römischen Besatzungsmacht. Sehenden Auges geht Jesus bis zum äußersten und erweist sich seiner Sendung treu.

 

Abba-Relation als innere Mitte der Sendung Jesu

Jesu akzentuiertes Leben, Lehren und Wirken erweisen sich zutiefst verankert in seiner Verbundenheit mit Gott, den er vertrauensvoll seinen Vater nennt. Zwar ist diese Form der Anrede JHWHs in der Tradition Israel durchaus verankert, allerdings erreicht die Vertrautheit Jesu mit dem Vater, wie sie in seinem Beten und Wirken zum Ausdruck kommt, ein unterscheidbares Profil. Die Worte „Abba“ oder „mein Vater“ geben Zeugnis von einer lebendigen Gottunmittelbarkeit, deren Intimität sich jedem äußeren Zugriff entzieht. Von dieser Mitte aus führt Jesus sein Leben ganz vom Vater her und auf den Vater hin. In der besonderen Abba-Relation Jesu gründet seine umfassende Verfügbarkeit für den Willen des Vaters, dem er im Gehorsam entspricht. Von der Abba-Relation her erhält das Lebenswerk Jesu seine spezifische Prägung. Von hier aus kann Jesus seiner Sendung im Gehorsam entsprechen, Gott, seinen Vater, authentisch verkünden und seiner Proklamation der Basileia in Wort und Tat den ihm eigenen Akzent verleihen.

 

eucharistische Teilhabe an Person und Sendung Jesu

Jesus geht ganz in seiner Sendung auf, Personsein und Sendung fallen geradezu ineins; Jesu Sendung prägt sein Leben, sein Leben bewahrheitet seine Sendung. Zuhöchst wird dies sichtbar, indem Jesus die Konsequenzen in kauf nimmt und bis zum äußersten geht, als seine Stunde da ist. Das Leben Jesu erscheint insofern auf seine „Stunde“ wie auf das Kernereignis seiner Sendung gleichsam hingeordnet.

Von dieser „Stunde“  ist auch das Letzte Abendmahl Jesu mit den Seinen (vgl. Deuteworte Jesu beim Letzten Abendmahl) nicht zu trennen. In dem eigenen Akzent, den Jesus insbesondere durch die ausdeutenden Begleitworte über Brot und Kelch setzt, macht er seinen Gefährten deutlich, dass er, und zwar als einer der im Gehorsam gegenüber dem Vater und in Konsequenz seiner Sendung nun in den Tod geht, in den Mahlgestalten sich selbst ihnen dargibt und ihnen auf diese Weise Anteil an sich und seiner Sendung verleiht.

Das in der Zeichenhandlung des Mahles angezeigte Ereignis gerät in Leiden und Sterben Jesu geschichtlich zur Erfüllung. Die Entgegensetzung von „mein Wille“  und „dein Wille“ im Gebetskampf von Gethsemane führt in ein alles weitere einschließendes „Ja“ zum Willen des Vaters. Jesu Sendungsgehorsam gipfelt in der absoluten Verfügbarkeit in den Willen des Vaters, dem er sich in Freiheit ergibt und so in der Entscheidung zu seiner Bestimmung dem Anspruch seiner Sendung und damit dem Willen des Vaters gänzlich entspricht. Jesus übergibt sein Schicksal ganz in die Hände des Vaters. Jesu Lebensperspektive verengt sich fortan auf das bevorstehende Leiden und den Tod am Kreuz. Mit der Auslieferung durch Judas an die Mächte dieser Welt wird Jesus rückhaltlos preisgegeben. Jesus erscheint nun von Gott und den Menschen verlassen. Die Entäußerung Jesu gipfelt im letzten Aufschrei am Kreuz, dem einzigen Kreuzeswort Jesu entsprechend der Überlieferung nach Mk, bevor er stirbt. Im Tod erscheint Jesu Beziehung zum Vater im Modus abgründigen Schweigens.

 

Oster-Erfahrung als hermeneutischer Schlüssel

Die Frage, wer Jesus eigentlich ist, erreicht mit der Ostererfahrung der auserwählten Zeugen eine gänzlich neue Perspektive. Sie erkennen den sich ihnen offenbarenden Auferstandenen als den ihnen vertrauten Jesus wieder. Der Auferstandene, der sich ihnen aktiv zu erkennen gibt, ist genau derselbe, mit dem sie zuvor in enger Gemeinschaft verbunden waren und zusammen gelebt haben. Die Selbstbezeugung des Auferstandenen vor den auserwählten Zeugen ist eine personale Begegnung mit den Seinen, eine Epiphanie, keine obskure Vision. Jesus teilt sich seinen Freunden mit, indem er „sich sehen lässt“ (vgl. 1 Kor 15,5: ὤϕϑη). Die Zeugen können ihn nicht aus eigener Kraft erfassen, stellt die Auferstehungsgestalt Jesu doch eine Wirklichkeit gänzlich neuen Typs dar, die nicht mehr von dieser Welt ist.

Die Zeugen erfahren Jesus als ihren in der Herrlichkeit des Vaters vollendeten Herrn. Er ist es, der als derselbe und zugleich doch in gänzlich neuartiger, verherrlichter Gestalt sich ihnen zu erkennen gibt. Diese neuartige Wirklichkeit – worin die Dimension des Eschaton, die Wirklichkeit Gottes erreicht ist – erweist sich der Welt, ihrer Wirklichkeitsform und ihren Kategorien inkommensurabel („unanmessbar“).

In seinem Tod hat Jesus aus welthafter Perspektive den geschichtlichen Endpunkt seines Lebens erreicht. Erst in seiner Auferweckung in die Herrlichkeit des Vaters hinein erscheint Jesu Sendung nun vollendet, sein irdisches Leben von hier aus in einem neuen Licht. Die horizontale Weltlinie des Lebens Jesu bricht mit dem Ereignis des Todes gleichsam ab und wird in eine neue, eschatologische Dimension transponiert: quer zur Geschichte, die Welt transzendierend. Die horizontal-welthafte Geschichte ist in einzigartiger Weise an diesem konkreten Ereignis gleichsam eschatologisch-vertikal in den „Raum Gottes“ hinein aufgesprengt. Diese eschatologische Singularität erscheint insofern als metahistorisches, geschichtstranszendierendes Ereignis, dessen innerer historischer Bezugspunkt an Jesu Leiden und Sterben sowie an der Auferweckungserfahrung der auserwählten Zeugen festzumachen ist.

Im Kern ist es ein einziges Ereignis, das mit dem Letzten Abendmahl, dem Anbruch der Stunde Jesu am Ölberg über die Passion und den Tod bis hin zur eschatologischen Vollendung in der Herrlichkeit des Vaters und dem Ausgießen des Geistes die ganze Sendung Jesu umfasst. Eine Differenzierung von Leiden und Tod einerseits sowie Auferweckung am dritten Tag (Ostern), Vereinigung mit dem Vater (lukanische Himmelfahrt) und Ausgießung des Geistes (Pfingsten) andererseits würde eine Zerlegung des eschatologischen Präsens bedeuten. Die johanneische Konzeption, die das Aushauchen des Lebensatems am Kreuz und die Ausgießung des Geistes ineins sieht, erscheint darin der lukanischen narrativen Darstellung überlegen. Im Hinblick auf das eschatologische Präsens ist jede Unterscheidung zwischen einem Zeitpunkt der Auferstehung Jesu und einem Zeitpunkt seiner Parusie, jede Differenzierung zwischen „schon“ und „noch nicht“ letztlich obsolet. Eschatologie bestimmt sich in Jesus Christus in einem absoluten Sinn. Apokalyptische Vorstellungen sind damit erübrigt.

 

Christus-Verkündigung in österlicher Perspektive

Erst das überzeugte (und so auch überzeugende) Zeugnis der auserwählten Zeugen, deren überwältigtes Zeugnis in der für sie erfahrbar gewordenen eschatologischen Epiphanie gründet, die ihnen stellvertretend zuteil geworden ist, lässt sich wieder mit historischen, kategorialen und begrifflichen Maßstäben erfassen. Aufgrund der Inkommensurabilität von Welt und Eschaton stellt sich für die Zeugen jedoch das Problem der Analogielosigkeit. Wie sollen sie ausdrücken, was sie erfahren haben? Sie verfügen über keinen hinreichenden hermeneutischen Horizont. Sie stehen vor der Herausforderung, dass ihre Sprache, ihre Begriffe und Bilder versagen. Das von der Lebendigkeit der erfahren Begegnung her brennende Herz (Lk 24,32) der Zeugen induziert jedoch deren personales Bekenntnis.

Die hierauf basierenden, der persönlichen Aneignung und dem Verstehenshorizont der jungen Kirche entspringenden überlieferten Bekenntnisformeln bezeugen die Einheit von Kreuzestod, Begräbnis und Auferstehung (allen voran 1 Kor 15,3-5), letztere im Sinne des Übergangs Jesu in eine neue Existenzform, in der er den Tod endgültig hinter sich gelassen hat (Röm 6,9). Die bei alledem unvermeidliche Übersetzungsarbeit aus erfahrener Begegnung bis hin zum kerygmatischen Depositum bleibt in sprachlicher Hinsicht infolge fehlender adäquater Begriffe auf eine „schwebende Mitte“ (vgl. Analogie) angewiesen. Eschatologische Aussagen – ebenso wie protologische – bleiben notwendigerweise Grenzaussagen.

In ihrem Bekenntnis, dass Jesus der Christus ist, verdichtet sich der Glaube der jungen Kirche. In ihren frühen Zeugnissen, die in den neutestamentlichen Schriften überliefert sind, begegnen vielfältige Versuche, Jesus als den Herrn zu verkündigen. Einerseits geschieht dies implizit in der Art und Weise, wie im Rückschau auf Jesu Leben, Lehren und Wirken, die nunmehr in einem neuen Licht erscheinen, deren Tiefendimension akzentuiert zur Darstellung gelangt. Andererseits greift man auch bestehende Hoheitstitel wie z.B. Messias, Menschensohn, Sohn Gottes oder Kyrios auf, und wendet diese – modifizierend, adaptierend, interpretierend – auf Jesus an. Das je neue Ringen um das Dogma bleibt in der Kirche fortan unabschließbar lebendig.

 

trinitarische Tiefendimension der Sendung Jesu

Ausgehend von der einmal erreichten Evidenz, dass Jesus in der Herrlichkeit des Vaters vollendet, dass er der Christus, der Sohn des Vaters in einem absoluten Sinn ist, ergeben sich in systematischer Hinsicht weitere theologische Implikationen die Tiefendimension des Christus-Ereignisses betreffend.

Die eschatologische Vollendung Jesu Christi in der Herrlichkeit des Vaters im Sinne einer inneren Teilhabe – qua Sohnsein – an Gottes eigenem Leben (trinitarische Perichorese) findet ihre protologische Entsprechung im Ausgang der Sendung Jesu vom Vater her. Jesus Christus erhält mit seiner eschatologischen Vollendung genau die Teilhabe an der Herrlichkeit des Vaters, die ihm als dem ewigen Sohn des Vaters vorgängig zur Schöpfung bereits zukommt. So ist Jesu Sendung vom Vater her – in Analogie sowohl zu seiner innertrinitarischen processio als auch in Analogie zu seiner eschtologischen Vollendung – mit Blick auf die innertrinitarische Perichorese zu verstehen. Die ökonomische Dimension der Trinität entspricht der immanenten. Gott vollzieht sich theodramatisch-ökonomisch als genau der, der er selbst ist.

Die Sendung des Sohnes erscheint von hier aus als „Umlegung“, „Terminierung“, „Selbstmitteilung“ oder „Selbstmanifestation“ von Gottes innertrinitarischem Selbstvollzug auf die von ihm geschaffene Welt hin. Diese Sendung ereignet sich inkarnatorisch-konkret: Gottes Sohn erscheint auf Erden als Mensch. Hierin gründet das Gott-Mensch-Sein Jesu (hypostatische Union) – nicht zusammengesetzt als Synthese zweier Wesenheiten, sondern als die eine Existenzform der Wer-Person-Hypostase des Sohnes. Der trinitarische Zusammenhang des Christus-Ereignisses bleibt unüberholbar und unvordenklich. Die Sendung Jesu, die sich geschichtlich aufgespannt in seinem Leben, Lehren und Wirken, d.h. in der Proklamation der Basileia, manifestiert, deren Tiefendimension jedoch in seiner „Stunde“ zuhöchst erreicht wird, mündet in die Preisgabe der Gottverlassenheit am Kreuz. Jesu Leiden und Sterben haben mehr als nur akzidentelle Bedeutung. In seiner Hingabe unterfasst Jesus auch den Sünder und bietet allen Menschen in der Gemeinschaft des Geistes Anteil an seinem Leben beim Vater. In Jesus wird die Basileia – und damit für uns: Eingeborgensein in Gottes Reich, ja in sein eigenes, inneres Leben– wirkmächtig zum Ereignis.

Diese Teilhabe an Jesus als Person einschließlich seiner Sendung ist die Tiefendimension der Eucharistie.

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Theologie der Eucharistie (Inhaltsverzeichnis)

Teil 1: Eucharistie als Inbegriff der Sendung Jesu
Basileia-Vorstellung in der Tradition Israels
Proklamation der Basileia als Zentrum der Sendung Jesu
Abba-Relation als innere Mitte der Sendung Jesu
eucharistische Teilhabe an Person und Sendung Jesu
Oster-Erfahrung als hermeneutischer Schlüssel
Christus-Verkündigung in österlicher Perspektive
trinitarische Tiefendimension der Sendung Jesu

Teil 2: Eucharistie als Realsymbol des Herrn (Dogmengeschichte)
Deuteworte Jesu beim Letzten Abendmahl
wesentliche Aspekte der dogmengeschichtlichen Entwicklungen
östlich-griechische Patristik
abendländisch-lateinische Patristik
fränkisch-germanisches Eucharistieverständnis
scholastische Theologie des Mittelalters
Reformation und Gegenreformation
theologische Neuorientierungen im 20. Jhd.

Teil 3: Eucharistische Teilhabe am Herrn 
(systematische Reflexion)

der neue Bund in Jesus Christus
pneumatisch-somatische Teilhabe an Jesus Christus
die Gabe der Gottunmittelbarkeit
Unterpfand des himmlischen Hochzeitsmahls

 

Die hier dargestellten geschichtlichen Entwicklungen dienen lediglich für einen ersten Überblick zur lirurgischen Seite der Eucharistie. Darüber hinaus sind auch die theologiegeschichtlichen Entwicklungen zu beachten.

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