Elemente einer Theologie der Eucharistie (Teil 2)

Eucharistie als Realsymbol des Herrn

 

Deuteworte Jesu beim Letzten Abendmahl

In der Eucharistie gibt sich Jesus selbst den Seinen zuteil. Die besonderen Deuteworte Jesu, mit denen er beim Letzten Abendmahl seinen ganz persönlichen Akzent setzt und so dieser Geste im Sinne einer Zeichenhandlung eine einzigartige Bedeutung verleiht, als er im Angesicht seiner bevorstehenden Auslieferung und seines Sterbens Brot und Kelch den Seinen darreicht, machen dies deutlich. Das ausdeutende Wort „τοῦτό ἐστιν τὸ σῶμά μου / Dies ist mein Sōma“ (Mk 14,23), das als sehr alte und authentische Überlieferung gilt, setzt einen unmittelbaren Bezug zwischen dem Brot des rituellen Mahles und Jesus selbst. Das in der griechischen neutestamentlichen Überlieferung verwendete Wort „Sōma – σῶμα“ – ebenso wie das dem entsprechende aramäische guph – bezeichnet nicht nur einen Teil, den Leib, sondern den Menschen als ganzen. Dies kann etwa durch die freiere Übersetzung „Das bin ich selbst“ zum Ausdruck gebracht werden. Somit ist in der Bezeichnung „Sōma – σῶμα“ Jesus als ganzer, nicht nur unter einer bestimmten Rücksicht, sondern unter Einschluss all dessen gemeint, was sein Leben ausmacht: sein Personsein, seine Sendung, sein Leben und Wirken, seine Proklamation der Basileia, seine Beziehung zum Vater (vgl. Aktualpräsenz).

Das Becherwort erscheint analog zum Brotwort und vertieft es. Keineswegs also wird mit „αἷμα–Blut“ dem σῶμα–Leib etwas von diesem unterschiedenes entgegengesetzt. Wie bereits σῶμα so steht auch αἷμα für den Menschen als ganzen. Die Überlieferung Mk 14,24 – bzw. die diesem Vers zugrunde liegende Tradition – gilt als älteste Überlieferung des Becherwortes: „ττοῦτό ἐστιν τὸ αἷμά μου τῆς διαθήκης τὸ ἐκχυννόμενον ὑπὲρ πολλῶν – dies ist mein Blut des Bundes, ausgegossen für viele“. Der Zusammenhang von Blut und Bund greift inhaltlich und sprachlich den Bundesschluss am Sinai Ex 24,8 auf und stellt diesen im Kontext des Letzten Abendmahls im Sinne einer Überformung des Sinaibundes in die eschatologische Perspektive der Basileia. Somit kann der angefügte V25, der ebenfalls einer sehr alten vormarkinischen Tradition entstammt, bruchlos daran anschließen. Erst im paulinischen/lukanischen Zeugnis wird die eschatologische Überformung des Bundes in Anlehnung an Jer 31,31-34 als „neuer Bund“ bezeichnet. Nach dem Bruch des Bundes durch das treulose Volk richtet Gott selbst einen neuen (Jer 31,31), ewigen Bund (Ez 16,59-63) auf, der die Vergebung für alle früheren Taten einschließt und die Untreue des Volkes überholt. Vom kultischen Zusammenhang zwischen Blut und Sühne spricht bereits Lev 17,11; Lev 4 (vgl. Ex 29,12) beschreibt detailliert die Rechtsvorschriften, wie beim Sündopfer Israels mit dem Blut des Opfertiers verfahren werden soll. Dieser kultische Zusammenhang von Blut und Sühnopfer wird im vierten Gottesknechtslied (Jes 52,13-53,12) im Sinne der gerechtmachenden Zerschlagung des gerechten Knechtes neu interpretiert. Von hier aus gerät das „ὑπέρ - für“ verstärkt in den Blick, das, dem breiten Spektrum seiner Wortbedeutung entsprechend, die blutige Hinschlachtung Jesu (analog dem Gottesknecht) wegen der vielen, anstelle der vielen bzw. zugunsten der vielen verstanden wissen will.

 

wesentliche Aspekte der dogmengeschichtlichen Entwicklungen

Unter den zahlreichen Motiven, welche die Reflexion auf die Eucharistie prägen, konzentriert und entzündet sich die Auseinandersetzung in erster Linie und stets von neuem an der Frage der Verhältnisbestimmung zwischen Jesus Christus als Person einerseits und den eucharistischen Mahlgestalten von Brot und Wein andererseits. Inwiefern kann dieses Verhältnis als Identifikation gedacht werden? Was ist die Bedeutung von „ist“? Die jeweiligen Antwortversuche in den einzelnen Epochen hängen ihrer konkreten Gestalt nach maßgeblich davon ab, innerhalb von welchen Paradigmen – z.B. was bedeutet „sein“, wie wird das „Gott-Welt-Verhältnis“ gedacht – diese ihren Ausdruck finden. Die Dogmengeschichte endet ja nicht bereits mit dem Kanon der Schrift. Gerade die ersten Konzilien haben gezeigt, wie sehr das Ringen um das Dogma zwangsläufig in Korrespondenz zur jeweils gegebenen, vorherrschenden Begrifflichkeit seinen je neuen sprachlich-begrifflichen Ausdruck findet.

 

östlich-griechische Patristik

Für die griechische Patristik erweist sich im Kontext der mittelplatonisch geprägten Schichtontologie („sein“ gilt als in unterschiedlich starkem Maß verwirklicht) und dem Modell des Urbild-Abbild-Schemas (gestufte Partizipation als Grundstruktur der Wirklichkeit) das Konzept des Logos als entscheidendes Denkmotiv. Dementsprechend wird das Eucharistieverständnis maßgeblich von der Logos-Christologie her bestimmt. So wie der Logos bei der Inkarnation kraft des Heiligen Geistes Fleisch annahm, so ergreift er in der Feier der Eucharistie die Gestalten von Brot und Wein und erhebt sie real-symbolisch zu seinem eucharistischen Leib. Für Alexandriner wie etwa Clemens, Origenes oder Cyrill liegt der Akzent dabei auf der geistigen Dimension der Wirklichkeit. Als Ziel des Menschen gilt in der platonisch geprägten Weltanschauung jener Zeit seine Erhebung aus der sinnlich-materiellen in die geistige Welt, zuhöchst in die Teilhabe am Leben Gottes selbst (Athanasius). Irenäus von Lyon gebraucht hierfür den Begriff „ϑείωσις“ [Theiosis] – „Vergöttlichung“). In der Eucharistie kann der Mensch geistige Gemeinschaft mit dem Logos erhalten, die durch die leiblichen Gestalten von Brot und Wein vermittelt wird.

Im Unterschied zum alexandrinischen Verständnis setzen die Antiochener einen anderen Akzent, der nicht ausschließlich auf die geistige Dimension gerichtet ist, sondern auch die Eigenwirklichkeit der menschlichen Natur stärker berücksichtigt. Weil göttlicher Logos und menschliche Natur in Jesus unvermischt bleiben, repräsentiert dieser Auffassung zufolge die Eucharistie auch die geschichtliche Dimension des Lebens Jesu wie Leiden und Tod. Johannes Chrysostomos expliziert den Unterschied zwischen dem Leib des historischen Jesus (einschließlich seines Leidens und Todes) und dem eucharistischen Leib; dies geschieht auf der Basis, dass sowohl der historische Leib als auch der eucharistische Leib jeweils das Abbild des Logos-Sohnes zur Darstellung bringen. Allerdings ist der eucharistische Leib zugleich auch Abbild des historischen Leibes. Die immer neue Feier der Eucharistie partizipiert auf anamnetische Weise an dem einmal dargebrachten Opfer am Kreuz und stellt dieses abbildhaft-real, d.h. symbolisch dar. Diese Symbolwirklichkeit ist darin begründet, dass Gottes Geist die natürlichen Elemente wie Brot und Wein über ihr Eigensein hinaus erhebt, der Logos diese nach dem Modell der Inkarnation durchformt und sie so symbolisch-real zu Leib und Blut Christi macht (Johannes von Damaskus).

 

abendländisch-lateinische Patristik

Im Vergleich zum Konzept des Realsymbols der östlichen Theologie zeigt sich das abendländisch-lateinische Denken mehr am Konkreten denn metaphysisch orientiert. Insofern gerät das Verständnis für die Mehrdimensionalität der Wirklichkeit in den Hintergrund. Cyprian von Karthago etwa betont vor allem den Zusammenhang der Eucharistie mit dem kirchlichen Leben. Im Blickpunkt stehen dabei sowohl die Wirkung der Eucharistie, verstanden als Stärkung für das Leben der Kirche insbesondere in der Zeit der Verfolgung, sowie, vor dem Hintergrund der Frage nach der Rekonziliation der Abgefallenen, die während der Verfolgungen nicht standgehalten haben, ethische Aspekte als Voraussetzung für die volle Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft des Einzelnen. Theologisch rückt der Opferaspekt in den Vordergrund, verbunden mit einem zunehmend realistischen Verständnis. So erscheint es, als ob das eine Opfer Jesu Christi am Kreuz in der Feier der Eucharistie iterativ stets von neuem dargebracht würde. Im Zusammenhang mit dem abnehmenden Bewusstsein für die Mehrdimensionalität der Wirklichkeit, wie dies im Konzept des Realsymbols vorausgesetzt ist, werden klassische Symbole nunmehr bildsprachlich konkret-anschaulich aufgelöst. Bei Tertullian erscheinen Brot und Wein jeweils nur auf Leib oder Blut Christi direkt bezogen, entgegen der klassischen σῶμα-Auffassung, die das hebräische und das neutestamentliche Verständnis bestimmt. Auch rückt in der Feier der Eucharistie der Aspekt des kirchlichen Vollzugs im Sinne einer mitwirkenden Antwort stärker in den Vordergrund. Das eucharistisch gegenwärtige Kreuzesopfer Jesu erscheint so zugleich auch als ein Opfer (sacrificium, oblatio), das die Kirche selbst darbringt.

Bei Ambrosius findet sich die Einheit des Realsymbols aufgelöst in den Bereich des Bildes einerseits (figura, typus) und die darin bezeichnete Wahrheit andererseits. Ambrosius betont, dass in Brot und Wein der Eucharistie Leib und Blut Christi nicht in Spiegel und Gleichnis, sondern in Wahrheit und von Angesicht zu Angesicht empfangen werden. Damit gerät die Frage des Übergangs von Brot und Wein in Leib und Blut Christi verstärkt in den Blick. Dieser Übergang – Ambrosius gebraucht dafür oftmals die Worte mutare oder convertere, lediglich vereinzelt das der griechischen Theologie näher stehende transfigurare – vollzieht sich gemäß Auffassung des Ambrosius kraft der Einsetzungsworte Jesu analog zum Schöpfungswort Gottes, so dass in ihnen Jesus Christus leibhaft-real gegenwärtig wird. Das Eucharistieverständnis bei Ambrosius ist daher als Metabolismus bezeichnet worden.

Für Augustinus steht ein neuplatonisches, gestuft-partizipatives Verständnis der Wirklichkeit im Vordergrund. Die Eucharistie lässt sich demzufolge als Realsymbol des ganzen Christus verstehen, d.h. des Hauptes sowie des Leibes, der die Kirche ist. Die Gestalten von Brot und Wein bleiben für Augustinus Symbol und repräsentieren insofern eine höhere Ebene der Wirklichkeit, die sie selbst nicht sind. Die durch die Zeichen (signum, figura, similitudo) bezeichnete Sache selbst (res ipsa) entzieht sich dem exakten Zugriff. Unter den eucharistischen Zeichen von Brot und Wein wird der Leib Christi seiner historischen, seiner verherrlichten und seiner ekklesialen Dimension nach repräsentiert.

 

fränkisch-germanisches Eucharistieverständnis

Mit der Erstarkung des fränkisch-germanischen Reiches gerät das Eucharistieverständnis im abendländischen Westen unter den Einfluss einer germanischen Denkform, deren Paradigmen vorwiegend an einer dinglich-gegenständlichen Wirklichkeitsauffassung orientiert sind. Eucharistie kann insofern nicht mehr wie in der (östlichen) Antike auf dem Hintergrund einer mehrdimensionalen Wirklichkeitsauffassung verstanden werden, in deren Tiefendimension das Christus-Ereignis real-symbolisch im anamnetischen Vollzug der Liturgie repräsentiert wird. Die unspekulative Auffassung von Jesus als dem auf Erden wandelnden Gott-Sohn wird durch die betont antiarianische Haltung der Franken – in ausdrücklicher Abgrenzung gegen andere germanische Volksstämme wie die Goten – zusätzlich gestützt. Im Kontext eines vorherrschenden dinglich-gegenständlichen Realismus gerät die Frage der somatischen Realpräsenz verstärkt in den Blick, die nun aus dem anamnetisch-realsymbolischen Zusammenhang herausgelöst erscheint. Bezogen auf die Feier der Eucharistie treten daher opferreligiöse Aspekte wie die erneute Darbringung des irdischen Opfers Jesu, dessen juridischer Erlösungs- und Sühnewert sowie dessen zuwendbare Gnadenfrucht im Sinne einer Redemption in den Vordergrund.

Der erste Abendmahlsstreit im 9. Jhd. bezeugt das ringende Bemühen der Menschen jener Zeit um ein Verständnis der somatischen Gegenwart Jesu in der Eucharistie. Ohne ein entsprechend mehrdimensionales Wirklichkeitsverständnis, das dem antiken Konzept vom Realsymbol zugrunde liegt, ist es jedoch nicht mehr möglich, die Terminologie aus den antiken Schriften der Väter zur Eucharistie ihrem eigentlichen Gehalt nach zu verstehen. Der innere, ontische Zusammenhang zwischen Abbild und der in ihm waltenden Tiefendimension des Urbildes ist innerhalb des fränkisch-germanischen Wirklichkeitsverständnisses so nicht mehr nachvollziehbar. Das Verhältnis von Urbild und Abbild wird stattdessen nunmehr eindimensional im Sinne der Problematik des Verhältnisses zwischen einem Bild und einer davon zu unterscheidenden eigentlichen Wirklichkeit hinter bzw. neben dem Bild verstanden. In einem derartigen eindimensional-univoken Verständnishorizont stellt sich damit die Frage nach der Vermittlung zwischen Bild und Wirklichkeit, zwischen dem Brot einerseits und dem Leib Christi andererseits in einer gänzlich neuen Weise.

Paschasius Radbertus, Abt des Klosters Corbi, identifiziert das konsekrierte sichtbare Brot einfachhin mit dem Leib Christi, dessen historische (Menschen-)Gestalt freilich verborgen bleibt. Der Leib, der am Kreuz gestorben ist, wird als eucharistisches Brot konsumiert. Gegen diese extrem realistische (kapharnaistische) Auffassung wendet sich die Kritik des Ratramnus, eines Mönchs ebenfalls aus Corbi. Dieser ist bestrebt, in Orientierung an Augustinus am Symbolcharakter des eucharistischen Leibes festzuhalten und stellt sich gegen die Lehre seines Abtes Paschasius Radbertus. Da aber der Zugang zu dem Wirklichkeitsverständnis, das Augustins Begrifflichkeit zugrundeliegt, nicht mehr gegeben war, konnte Ratramnus im Brot, insofern es Symbol im Sinne von Zeichen ist, nicht mehr zugleich die Realität der historisch-leibhaften Gegenwart Jesu wahren, da das Zeichen des Brotes – im Unterschied zum klassischen Symbolverständnis – auf eine von ihm verschiedene Wirklichkeit hinweist, die es selbst gerade nicht ist.

 

Eucharistie in der scholastischen Theologie des Mittelalters

Die ungelöste Frage nach dem Verhältnis zwischen Bild auf der einen Seite und Wahrheit auf der anderen führt zu erneuten Auseinandersetzungen, die im 11. Jhd. im zweiten Abendmahlsstreit gipfeln. Berengar von Tours entwickelt den Ansatz des Ratramnus fort und tritt gegen einen allzu gegenständlichen Realismus in der Eucharistielehre ein. Dabei erweist sich ein mittlerweile gewandelter Substanzbegriff als entscheidend, der auf die wahrnehmbaren Eigenschaften eines Dings reduziert ist. Demnach bliebe die (wahrnehmbare) Substanz auch beim konsekrierten Brot und Wein unverändert bestehen (Kosubstanziation), da sich die äußeren Gestalten von Brot und Wein durch die Konsekration ja nicht ändern. Berengar versteht die konsekrierten Gestalten daher symbolisch als Bild (figura) und Gleichnis (similitudo) des wahren Leibes und Blutes, durch welche Christus in den Gläubigen auf geistige Weise real seine Gnade wirkt. Diese symbolistisch interpretierte Lehrmeinung ruft heftigen Widerspruch hervor. Als problematisch erweist sich insbesondere der univoke Realitätsbegriff: Entweder die konsekrierten Gestalten „sind“ wahrhaft Leib und Blut Christi oder aber sie sind es nicht. Das symbolisch geprägte Verständnis Berengars wird daher von seinen Kritikern als spitzfindige Aushöhlung des realistischen Verständnisses wahrgenommen. Antidialektiker wie Petrus Damiani lehnen sogar jegliche Anwendung philosophischer Kategorien auf die Eucharistielehre grundsätzlich ab.

Eine Überwindung des Gegensatzes zwischen einer realistischen Auffassung des eucharistischen Leibes einerseits und einem symbolischen Verständnis andererseits wird auf begrifflicher Ebene erst mithilfe weiterer Unterscheidungen möglich, die Lanfrank von Bec und Guitmund von Aversa in die Auseinandersetzung einbringen. Die Unterscheidung zwischen der Substanz (substantia) des Brotes und seiner sichtbaren Gestalt (species visibilis) sowie zwischen dem Wesen (essentia) des Leibes Christi und seinen Eigenschaften (proprietates) ermöglicht in der Eucharistielehre die Auffassung von einer Wandlung der irdischen Substanz von Brot und Wein unter Beibehaltung ihrer sichtbaren Gestalten in das Wesen des Herrenleibes, freilich ohne die irdischen Eigenschaften des Leibes Jesu anzunehmen. Unter Verwendung dieser differenzierteren Begrifflichkeit bleiben sowohl der Realismus des eucharistischen Leibes Christi als auch der Zeichencharakter der Mahlgestalten gewahrt. In einer Synode von 1079 wird dieses Verständnis lehramtlich aufgenommen. Im Kontext der fortschreitenden Aristoteles-Rezeption seit dem 12. Jhd. wird die philosophisch-theologische Begrifflichkeit u.a. durch Alanus von Lille weiter differenziert (ousia/substantia – accidentia; materia – forma). Für die eucharistische Konsekration wird seit Mitte des 12. Jhd. der Terminus der Transsubstantiation (Rolandus Bandinelli) gebräuchlich und durch das vierte Laterankonzil 1215 lehramtlich aufgenommen.

Bis zum Spätmittelalter konzentriert sich das theologische Interesse immer stärker auf den Aspekt der somatischen Realpräsenz. Fragestellungen etwa zum Opferaspekt oder zum Zusammenhang von Eucharistie und Kirche, welche die Eucharistielehre zuvor ebenso mitgeprägt haben, geraten dagegen in den Hintergrund. Neben der Transsubstantiationslehre bleibt auch das Modell einer Kosubstantiation, derzufolge die Substanz des Leibes und Blutes Christi zur Substanz des Brotes und Weines hinzutreten, in der theologischen Diskussion lebendig. Für Duns Scotus und Ockham erscheint die Theorie der Kosubstantiation einfacher einzusehen als die einer Transsubstantiation, weil so nicht eigens die Aufhebung der Substanz des Brotes und des Weines erklärt werden müsste. Die Relation der Mahlgestalten auf Jesus Christus bleibt innerhalb des Konzepts von der Kosubstantiation jedoch ohne inneren Bezug, das zugrundeliegende Gegenwartsverständnis erscheint räumlich-dinglich reduziert, die Präsenz Jesu Christi in den Mahlgestalten wird somit als beigeordnete Gleichzeitigkeit vorgestellt.

Insgesamt bleibt die Kosubstantiationslehre aufgrund der lehramtlichen Festlegungen zugunsten der Transsubstantiation von untergeordneter Bedeutung. Erst die Reformation greift verstärkt darauf zurück. Auch die seit dem Frühmittelalter diskutierte Impanationslehre, derzufolge Jesus Christus in den konsekrierten Mahlgestalten innewohnt wie ein König in seinem Palast, wird erneut u.a. von Wycliff und Durandus wieder aufgegriffen. Die Bezug zwischen Jesus Christus und den Gestalten von Brot bzw. Wein bleibt jedoch gemäß dieser Vorstellung nachträglich und äußerlich. Das Konzil von Konstanz (1414-1418) weist die Impanationslehre schließlich zurück.

 

Reformation und Gegenreformation

Die Reformatoren sehen in der Eucharistielehre spätscholastischer Prägung einen Widerspruch zur biblischen Überlieferung, in den dogmengeschichtlichen Entwicklungen eine Abweichung vom Ursprung. Unter dem Eindruck offenkundiger Mißstände beklagt Luther eine dreifache babylonische Gefangenschaft der Kirche. 1. Die Beschränkung der Kelchkommunion auf den Klerus steht seiner Auffassung nach im Widerspruch zur biblisch bezeugten Stiftung Jesu. Die Konkomitanzlehre (vgl. S.89), dass nämlich – trotz der im Abendland vorherrschenden Meinung, dass im konsekrierten Brot der Leib, im Wein hingegen das Blut Christi gegenwärtig wird – auch im Empfang nur einer der eucharistischen Gestalten immer der ganze Christus gegenwärtig ist (das Blut Christi also den Leib „begleitet“), mag Luther als begrifflich-theologische Spitzfindigkeit erscheinen, die um so mehr deutlich macht, wie sehr sich menschliche Logik in Gestalt von Theologoumena über den Gehorsam gegenüber Jesu Auftrag hinweggesetzt hat. 2. Die kirchliche Transsubstantiationslehre bedeutet eine Unterordnung des Vollzugs des Auftrags Christi unter philosophische Kategorien, die zudem heidnischen Ursprungs sind. 3. Der verbreitete Fokus auf menschlichem Tun – gemeint ist die im Abendland gängige Vorstellung von der erneuten Darbringung des Opfers Christi in der Messe als einem eigenen Opferakt sowie die Frage der Werkgerechtigkeit (einschließlich Ablasshandel) im Gegensatz zum sola fide – unterhöhlt nach Luthers Auffassung das Erlösungswerk Jesu Christi, der sich in seinem Opfer am Kreuz dem Vater ein für allemal dargebracht hat. Heil ist Gabe von Gott, die man nicht selbst erwirken kann. Die germanischen Vorstellungen geschuldete Praxis des Stipendienwesens mit der Zuwendung der Messfrüchte im Sinne bestimmter Intentionen, insbesondere für das Heil von Verstorbenen (Totenmessen), widerspricht Luthers Überzeugung, dass Gottes Heilsgabe nur persönlich und damit unvertretbar im Glauben angenommen werden kann.

Luther hält mit Blick auf die biblisch bezeugten Einsetzungsworte Jesu an der wirklichen Gegenwart Jesu Christi im Abendmahl fest. Nach Luthers Auffassung verbindet sich der allgegenwärtige Christus kraft des Wortes mit Brot und Wein. Luther neigt einem konsubstantianischen Verständnis zu, demnach Christus „mit, in und unter“ den Gestalten von Brot und Wein real gegenwärtig ist. Allerdings versteht Luther die Gegenwart Christi an den Vollzug der Handlung der Abendmahlsfeier gebunden (in usu). Brot und Wein werden daher vollständig verzehrt. Ein weitergehender eucharistischer Kult (Aussetzung, Prozession, sakramentaler Segen) basierend auf nicht-konsumiertem Brot aus der Feier des Abendmahls wird abgelehnt.

Gegen Luthers Auffassung von der wirklichen Gegenwart Christi im Vollzug der Abendmahlsfeier vertritt Zwingli zugleich gegen alle objektivistischen Vorstellungen die Auffassung vom Abendmahl als einem Erinnerungszeichen. Die Praxis des Abendmahls soll den Glauben des Einzelnen stützen. Brot und Wein „bedeuten“ insofern den Leib und das Blut Christi in einem geistigen Sinn, sie „sind“ es freilich nicht in Wirklichkeit. Ohnehin befindet sich nach der Himmelfahrt der Leib Christi im Himmel, nicht auf Erden. Luther hielt gegen Zwingli an seinem Abendmahlsverständnis fest (Marburger Religionsgespräch 1529). Calvin nimmt demgegenüber ein mittlere Position ein. Er geht davon aus, dass die Empfänger des Abendmahls kraft des Geistes so eng mit Christus verbunden werden und ihnen daraus von seiner Lebenskraft zuteil wird, als ob sie den Leib Christi selbst empfangen würden. Insgesamt tritt in den reformatorischen Kirchen ein symbolisch geprägtes Abendmahlsverständnis in den Vordergrund.

In seiner explizit antireformatorischen Ausrichtung bekräftigt das Konzil von Trient (1545-1563) die Lehre von der Realpräsenz auf Basis der Transsubstantiation und weist die Konsubstantiations- sowie Impanationslehre zurück. Aus der substantialen Realpräsenz folgt zudem die Verehrungs- und Anbetungswürdigkeit Christi unter seiner eucharistischen Gestalt, die auch außerhalb der Feier der Eucharistie fortbesteht, woraus sich das Erfordernis nach einer Aufbewahrung des konsekrierten, nicht konsumierten Brotes im Tabernakel sowie die Möglichkeit eines eucharistischen Kultes außerhalb der Messfeier ergibt. Da in jedem Teil des konsekrierten Brotes und Weines Christus voll und ganz gegenwärtig ist, wird an der verbreiteten Praxis der Gläubigenkommunion unter nur einer einzigen Gestalt als einer legitimen Möglichkeit festgehalten, die nicht dem Auftrag Christi widerspricht. Die Kommunion erfolgt aufgrund der Transsubstantiation keineswegs nur geistlich, sondern auf sakramentale und reale Weise.

Darüber hinaus bekräftigt das Konzil von Trient den Opfercharakter der Messe. Die dem Vater auf dem Altar des Kreuzes ein für allemal dargebrachte Opfergabe ist der stets selbe Christus, der in unblutiger Weise beim Messopfer erneut durch den Dienst des Priesters dargebracht wird. Daher wird die Messe als wahres und eigentliches Opfer (verum et proprium sacrificium) bezeichnet. Das Verhältnis des wiederholt dargebrachten Messopfers zu dem ein für allemal dargebrachten Opfer Christi am Kreuz wird auf dem Konzil traditionsgemäß durch den Terminus der „Vergegenwärtigung“ (repraesentatio) bestimmt.

In der nachtridentinischen Theologie rückt jedoch in der Verhältnisbestimmung mit Blick auf die immer wieder von neuem vollzogene liturgische Handlung der Aspekt der „Wiederholung“ und „Erneuerung“ in den Vordergrund. Zudem wird der Opfercharakter der Messe nicht sui generis vom Kreuzesopfer Christi her, sondern verstärkt von einem allgemeinen, religionsphänomenologischen Opferbegriff her interpretiert. In diesem Zusammenhang werden unterschiedliche Messopfertheorien entwickelt. Vertreter der Destruktionstheorie etwa sehen die Wesenseigenschaft eines Opfers vor allem in der Zerstörung der Opfergabe verwirklicht und suchen daher eine derartige Destruktion Christi im Messopfer aufzuweisen. Während Vázquez das Kreuzesopfer als Zerstörung im absoluten Sinn versteht und die relative Zerstörung innerhalb des Messopfers als bildhafte Darstellung auf das Kreuzesopfer bezieht, gehen Tanner u.a. von einer je neuen Schlachtung und Darbringung aus. Einige (u.a. Lessius) sehen in der getrennten Konsekration von Brot und Wein zu voneinander getrenntem Leib und Blut Christi dessen Zerschlagung und seinen Tod am Kreuz angezeigt, Bellarmin u.a. sehen in der Kommunion schließlich die Destruktion final vollzogen. Vertreter einer Oblationstheorie (u.a. Suárez, Berulle) sehen das Wesen des Opfercharakters der Messe vor allem in der Darbringung verwirklicht. Mit der Akzentuierung des Vollzugs der Darbringung des Opfers auf dem Altar (u.a. Taille) verschärft sich allerdings die Frage nach deren Verhältnis zum historisch einmaligen Opfer Christi am Kreuz. So nimmt z.B. Lepin eigens ein himmlisches Opfer Christi an, das mit dem Messopfer einhergeht. Insgesamt kennzeichnend für die nachtridentinische Theologie ist die traktatemäßige Unterscheidung zwischen somatischer Realpräsenz, der Eucharistie als Sakrament und dem Opfercharakter der Messe, wobei die theologische Reflexion weitgehend auf letzteres konzentriert bleibt.

 

theologische Neuorientierungen im 20. Jhd.

Die überkommenen theologischen Paradigmen werden auch innertheologisch verstärkt mit dem Denken der Moderne konfrontiert. Das bislang vorherrschende Substanz-Akzidentien-Schema stößt in der Anwendung auf Phänomenbereiche wie z.B. Personsein oder Freiheit, Systeme oder Strukturen an seine Grenzen. Die Überwindung eines unkritischen Objektivismus durch die neuzeitliche Philosophie, ein verstärkt von der Personwirklichkeit her geprägtes Denken und ein erstarktes Interesse an Geschichte bleiben nicht ohne Konsequenzen für die Gestalt der Theologie. Im Zusammenhang einer verstärkten Auseinandersetzung der Theologie mit den historischen Quellen aus der Zeit der Alten Kirche (Schrift, Patristik, Liturgie), einer erneuerten theologischen Reflexion auf das Wesen der Kirche (Pneumatologie, Ekklesiologie, Ökumene, Dogmengeschichte) sowie im Kontext der an Bedeutung zunehmenden Liturgischen Bewegung eröffnet sich im 20. Jhd. auch die Möglichkeit für eine Neuorientierung im theologischen Verständnis der Eucharistie.

Odo Casel leistet durch seinen am Modell der Mysteriengegenwart ausgerichteten Neuansatz einen wesentlichen Beitrag für die Theologie seiner Zeit, des inneren Zusammenhangs zwischen der geschichtlich einmaligen Großtat Gottes in Jesus Christus und der wiederholten liturgischen Feier der Eucharistie wieder gewahr zu werden. In der liturgischen Feier wird das geschichtlich einmalige Heilsereignis selbst sakramental gegenwärtig. Casel erreicht im Fortgang seiner Arbeiten bis zum Spätwerk ein Verständnis wirklicher sakramentaler Vergegenwärtigung, die schließlich die ontologische Tiefe des patristischen Realgedächtnisses wiedergewinnt: „Sakrament und Urheilstat sind nicht zwei getrennte Dinge, sondern eins, wobei das Bild so sehr von der Wirklichkeit der Urtat erfüllt ist, dass es mit Recht als Gegenwart dieser bezeichnet wird. So ist die Eucharistie in sakramentaler Weise das Opfer Christi“ (Casel, 1941).

Die geschichtlich einmalige Großtat Gottes und die Feier der Eucharistie werden fortan nicht mehr als zweierlei voneinander getrennte Ereignisse begriffen, die zueinander vermittelt werden müssten, sondern in ihrer akthaften Einheit erfasst. Insofern bewirkt die liturgische Feier des Mysteriums die sakramentale Teilhabe der Kirche in ihren Gliedern am Heilsereignis des Pascha-Mysteriums des Sohnes selbst, nicht nur an einer hierdurch vermittelten Gnadenfrucht. Die Kirche feiert in der Kraft des Heiligen Geistes das Mysterium und wächst auf diese Weise immer mehr in die Einheit mit Christus hinein.

Die Theologie im 20. Jhd. überwindet zugleich mit der vormaligen schultheologischen Traktatekategorisierung auch die Atomisierung der Eucharistielehre in die Fragen nach der Realpräsenz, dem Opfer und dem Sakrament. So wird der Weg frei für ein integrales Eucharistieverständnis, das am Gesamt des Heilsereignisses in Christus ausgerichtet ist. Guardini und Pascher etwa haben die Mahlgestalt der Eucharistiefeier neu herausgestellt, die zugleich mit der Wirklichkeit des Wortes untrennbar verbunden ist.

Karl Rahner hat bereits vor dem II. Vatikanum die Feier der Eucharistie in ihrem Zusammenhang mit dem Wort Gottes als dessen höchste Aktualisationsform dargestellt. Bernhard Welte hat ein Verständnis des eucharistischen Mahlgeschehens auf Basis einer relationalen Ontologie entwickelt. So wird der Aspekt somatischer Realpräsenz in den Kontext des ganzen Christusereignisses einbezogen. Eucharistische Teilhabe an Christus bedeutet somit auch Teilhabe am Ereignis seines Todes und seiner Auferstehung. Die Frage des Opfers steht im Kontext des Pascha-Übergangs Jesu Christi.

Theologen wie Ratzinger und Schoonenberg haben personale Kategorien für die Theologie der Eucharistie fruchtbar gemacht. Schoonenberg hat 1959 einen Entwurf vorgelegt, die eucharistische Realpräsenz mittels einer Phänomenologie personaler Gegenwart zu bestimmen. So wie eine Person in ihrem Leib da ist, so stellt das eucharistische Brot das realisierende Zeichen der Gegenwart Christi dar. Schoonenbergs transsignifikatives Konzept gerät jedoch unter den Verdacht des Symbolismus, als die Enzyklika „Mysterium fidei“ 1965 erneut jedes symbolistische Verständnis der Eucharistie als unzureichend zurückweist. Der Entwurf Ratzingers von 1967, wie Schoonenberg vom personalen Denken und dem Gedanken des Leib-Symbols her bestimmt aber im Gegensatz zu diesem streng theologisch konzipiert, versteht die eucharistische Daseinsweise des auferstandenen Herrn sui generis (secundum modum personae), die alle natürlichen Kategorien übersteigt. Dabei erweist sich die eucharistische Gegenwart Christi als zur irdischen Pilgerschaft der Kirche gehörig und weist so als Unterpfand zugleich über sich hinaus auf die noch ausstehende vollendete Gemeinschaft Christi mit den Seinen in der Herrlichkeit des Himmels.

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Theologie der Eucharistie (Inhaltsverzeichnis)

Teil 1: Eucharistie als Inbegriff der Sendung Jesu
Basileia-Vorstellung in der Tradition Israels
Proklamation der Basileia als Zentrum der Sendung Jesu
Abba-Relation als innere Mitte der Sendung Jesu
eucharistische Teilhabe an Person und Sendung Jesu
Oster-Erfahrung als hermeneutischer Schlüssel
Christus-Verkündigung in österlicher Perspektive
trinitarische Tiefendimension der Sendung Jesu

Teil 2: Eucharistie als Realsymbol des Herrn (Dogmengeschichte)
Deuteworte Jesu beim Letzten Abendmahl
wesentliche Aspekte der dogmengeschichtlichen Entwicklungen
östlich-griechische Patristik
abendländisch-lateinische Patristik
fränkisch-germanisches Eucharistieverständnis
scholastische Theologie des Mittelalters
Reformation und Gegenreformation
theologische Neuorientierungen im 20. Jhd.

Teil 3: Eucharistische Teilhabe am Herrn 
(systematische Reflexion)

der neue Bund in Jesus Christus
pneumatisch-somatische Teilhabe an Jesus Christus
die Gabe der Gottunmittelbarkeit
Unterpfand des himmlischen Hochzeitsmahls

 

Die hier dargestellten geschichtlichen Entwicklungen dienen lediglich für einen ersten Überblick zur lirurgischen Seite der Eucharistie. Darüber hinaus sind auch die theologiegeschichtlichen Entwicklungen zu beachten.

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