Elemente einer Theologie der Eucharistie (Teil 3)

Eucharistische Teilhabe am Herrn

 

der neue Bund in Jesus Christus

Das Gründungsverhältnis zwischen Gott und seiner Kreatur erreicht auf Gottes Initiative hin eine neue Qualität in der Aufrichtung des Bundes. Das kreatürliche Existential des Menschen, vor Gott zu stehen, wird durch Gott selbst im Bundesschluss geschichtlich konkretisiert. Gott selbst versammelt sein erwähltes Volk. Die alttestamentliche Bundestheologie wird im Bild des Regenbogens (Gen 9,13) anschaulich. Auf dem Sinai tritt der Gott der Väter seinem Volk als ein jemand gegenüber, der ihnen seinen Namen kundtut. Auf dem Weg des Exodus kommt der Bund in der Gestalt der Thora zur Darstellung. Insgesamt ist der Bund, ebenso wie die Schöpfung, apriorisch durch JHWH konstituiert; das Volk jedoch wird als Partner Gottes darin einbezogen und zur Antwort berufen. Allerdings bleibt die Geschichte Gottes mit seinem Volk vom wiederholten Versagen Israels überschattet.

Mit der Sendung des Sohnes erreicht das Bundesverhältnis Gottes zu den Seinen eine nochmals neue Qualität und wird von innen her überhöht. Im Sohn tritt Gott zugleich auf die Seite des Geschöpfes und nimmt nun auch dessen Perspektive mit ein. In Jesus Christus offenbart Gott, der Vater, wer er selbst ist, und lässt in der Fülle der Zeit seine Herrlichkeit ein für allemal vor aller Welt erscheinen. Jesus Christus ist die Ikone des Vaters. In Jesus Christus vollendet sich Gottes Offenbarkeit. Die Wortoffenbarung wird in der Inkarnation des Logos-Wortes überstiegen. Die authentische Auslegung des Vaters in Jesus Christus erfolgt leibhaftig. Jesus Christus ist kein bloßes Zeichen des Bundes. Er konstituiert die neue Dimension des Bundes in seiner Person. In Jesus Christus, dem Gott-Menschen, ist der Bund qua hypostatischer Union leibhaft und somit unverbrüchlich verwirklicht. Von Gott, seinem Vater, weiß sich Jesus in die Welt gesandt, die Botschaft von der Basileia in Wort und Tat zu verkünden und so das Reich Gottes inmitten des erwählten Bundesvolkes aufzurichten. Im Sendungsgehorsam der Liebe nimmt Jesus Leiden und Tod auf sich und wird schließlich als der Auferstandene, der in der Herrlichkeit des Vaters vollendet ist, offenbar. 1 Kor 11,25 und Lk 22,20 sprechen so vom Neuen Bund in seinem Blut. Dieser Neue Bund bedeutet die Eröffnung des Zugangs zur inneren, dreifaltigen Lebendigkeit Gottes für die Kreatur.

 

pneumatisch-somatische Teilhabe an Jesus Christus

Die Zeugnisse der Evangelien zeigen Jesus, der auf das engste mit Gott, seinem Vater, verbunden ist, zugleich in enger Lebensgemeinschaft mit denen, die bei ihm weilen, die zu ihm gehören und ihm folgen. Diese sind es, mit denen Jesus, als sich der Ernst seiner Sendung in der bevorstehenden Stunde seiner Preisgabe verdichtet, das Letzte Abendmahl begeht und ihnen in dieser Mahlgestalt, so wie es in seinen Begleitworten über Brot und Kelch zum Ausdruck kommt, explizit Anteil an sich und seiner Sendung verleiht (vgl. S.115, 121).

Dieses Anteilhaben an Jesus, dem Christus, in persona und damit auch an seiner Sendung umfasst mit dem Anteil an seinem Leiden und Sterben auch Anteil an seiner Auferstehung und an seiner Vollendung in der Herrlichkeit des Vaters (vgl. Röm 6,3-8; 2 Tim 2,11). Dabei besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der vorösterlich versammelten Jüngergemeinschaft mit Jesus und der österlich-pneumatisch konstituierten Kirche als Glaubensgemeinschaft mit ihrem erhöhten Herrn. Deren pneumatische Eingliederung in Christus bzw. Gleichgestaltung mit Christus ereignet sich durch die Taufe auf seinen Tod, und zwar „alle in einen einzigen Leib“ hinein (1 Kor 12,13). Um das Verhältnis der Einzelnen, die im Pneuma auf Jesus Christus getauft worden sind, untereinander sowie deren Verhältnis zu Christus zu beschreiben, gebraucht Paulus die somatische Bildrede von dem einen Leib und den vielen Gliedern. (1 Kor 12,12-31). Diese Rede von dem einen Leib in Christus basiert auf der eucharistischen Teilhabe der vielen an dem einen Brot (1 Kor 10,17). Das Geheimnis der Eucharistie und das Geheimnis der Kirche sind wesentlich aufeinander bezogen, da beide zuinnerst in Jesus Christus gründen.

Die Kirche stellt dabei gleichsam ein „mittleres“ zwischen Christus und den Seinen dar (ekklesiologische Differenz), sie ist aber freilich keine Mittlerin. Nur einer ist der Mittler: Jesus Christus in Person (vgl. 1 Tim 2,5). Die Kirche unterfasst im Pneuma die Gemeinschaft derer, die zu Christus gehören und an ihm – und so an seinem Leib – Anteil haben und die von hier aus aufgrund ihrer Einheit mit Christus gemeinsam mit Christus gleichsam den einen Leib Christi darstellen, dessen Glieder sie sind, und dessen Haupt Christus selbst ist. Auf dieser Basis sind die Glieder miteinander geeint und einander als Brüder und Schwestern in gegenseitiger Liebe im Herrn verbunden. Insofern stellt die Kirche „das Sakrament“ in einem grundlegenden Sinn dar (Ur-, Grund- oder Wurzelsakrament). Sie ist in Christus „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1).

Aufgrund ihres Eingegliedertseins in Christus ist die Kirche durch das Gottgeheimnis Jesu Christi wesentlich geprägt. Insofern steht sie jedoch zugleich auch im horizontalen Weltbezug, gesandt zu allen Völkern. Somit ist die Kirche also weder nur transzendent-unsichtbar (vgl. ecclesia abscondita), noch nur immanent-sichtbar (vgl. imperium, societas). Vielmehr bilden irdische und himmlische Dimension der Kirche eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst (LG 8). Diese komplexe Wirklichkeit bleibt jeder univoken Definition enthoben, da sie im Gottgeheimnis Jesu Christi verankert ist. Die Väter umschreiben die Wirklichkeit der Kirche daher mit Blick auf biblische Bilder als Jungfrau, Tochter Zion, neue Eva, Arche des Heils, Weinberg. Die lehramtliche Reflexion in der dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ des II. Vatikanischen Konzils schließt daran an und bleibt bei einer bildhaften Umschreibung: Acker Gottes, Schafstall, Gottes Bauwerk, Jerusalem droben, Braut und Mutter (LG 6).

Die Kirche steht in der Welt, ist aber nicht von der Welt, sondern weist über diese hinaus auf ihren Herrn, der in Leiden und Tod, seiner Auferweckung von den Toten und seiner Vollendung in der Herrlichkeit des Vaters die Welt überwunden hat. Soweit die Kirche noch in dieser Welt steht, verkündet sie das Evangelium, und legt Zeugnis ab von ihrem Herrn. So ist die Kirche aufgerichtet inmitten der Welt, als Zeichen unter den Völkern, und stellt „das im Mysterium schon gegenwärtige Rech Christi“ (LG 3), Keim und Anfang der Basileia auf Erden (LG 5) dar. Als pilgerndes Gottesvolk entlang der welthaft-horizontalen Geschichte bleibt die Kirche auf Christus, in dem sie gründet, gleich dem ankommenden Bräutigam ausgerichtet. An ihm hat sie bereits Anteil, mit ihm hat sie teil an seiner Vollendung in der Herrlichkeit des Vaters. Ihm nachzufolgen bedeutet, die Mitte des eigenen Lebens in Christus festzumachen, „in ihm“  zu leben und alles auf dieses „Sein in Christus“ zu beziehen. „Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Röm 14,8).

 

die Gabe der Gottunmittelbarkeit

Alle, die im Heiligen Geist auf Jesus Christus getauft und so Teil seines Leibes, der die Kirche ist, geworden sind, haben Anteil an Jesus Christus, der in der Herrlichkeit des Vaters vollendet ist. In ihm ist ihnen die innere Lebendigkeit Gottes eröffnet. In ihm erhalten sie Anteil an Gottes Koinonia (Gemeinschaft). In ihm sind sie hineingenommen in das dreifaltige Leben Gottes selbst, eingeborgen in die trinitarische Perichorese von Vater, Sohn und Geist. In ihm sind sie „Hausgenossen Gottes“ und erhalten „Zugang zum Vater“ (Eph 2,18).

Der Heilige Geist als die Koinonia von Vater und Sohn ist die Gabe der Koinonia in einem absoluten Sinn. In der Gabe (Ausgießung) dieses Geistes erhalten die, die zu Christus gehören, in koinonialer Weise Anteil an Gottes eigener Koinonia. Hierfür gebraucht die Tradition seit Irenäus von Lyon die Bezeichnung „ϑείωσις“ („Vergöttlichung“ ). Der Sache nach bedeutet dies gleichsam die vollendende Einbergung der Kreatur in Gottes eigenes trinitarisch-perichoretisches Leben, ein Leben ganz bei Gott, eingeborgen in Gott.

Das in der Schöpfung grundgelegte Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf wird zu einer Form des partnerschaftlichen Mit-Seins überhöht, die nicht mehr von dieser Welt ist. Der Eigenstand des Kreatürlichen wird dabei nicht etwa aufgehoben, sondern vollendet (≠ Pantheismus, Panentheismus). Hierin besteht die Berufung als das übernatürliche Ziel des Geschaffenen. Die Kreatur wird ihrer raumzeitlichen Begrenztheit enthoben und als die, die sie selbst ist, zur Teilnahme am Leben Gottes, zum Leben in Gott erhoben. Ihre Gestalt wird unter Beibehaltung ihrer Identität transformiert von einer Werde- in eine Vollendungsgestalt nach dem Vorbild des verherrlichten Leibes Jesu Christi.

Das biblische Verständnis vom Gericht (Schafat / +p#$) bezeichnet jene Handlung Gottes, durch die der endgültige Zustand aufgerichtet, der „Schalom“ (Mw%l#$f) für immer hergestellt wird. Damit ist die Basileia in ihrer vollendeten Gestalt verwirklicht, die nun ewig währt.

„Ewiges Leben“ meint keineswegs nur eine ihres Endes enthobene, zeitlich nach vorne unbegrenzt eröffnete Form der Zeit (tempus in perpetuum), sondern Teilhabe an der Ewigkeit (aeternitas) Gottes eigenen Lebens. Wie Christus in seiner Auferstehung die horizontale welthafte Geschichte gleichsam vertikal auf den Bereich Gottes hin aufgesprengt hat, so folgt ihm die Kreatur in ein eschatologisches Präsens, das als Teilhabe an Gottes Koinonia ewig währt. Wenn aber das vollendete Leben in der koinonialen Teilnahme an der perichoretisch-trinitarischen Lebensdynamik Gottes besteht, erstreckt sich diese Koinonia auch auf das Mit-Sein all jener untereinander, die als Glieder des einen Leibes in Christus auch miteinander verbunden sind (communio sanctorum).

Diese Vollendungsgestalt ist in der Tradition mit bildhaften Bezeichnungen wie „Himmel“, „himmlisches Hochzeitsmahl“ oder „Anschauung Gottes“ (visio beatifica) umschrieben worden. Tatsächlich aber kann diesen Bildworten aufgrund der Inkommensurabilität von Erde zu Himmel, von Geschichte zu Eschaton keine Anschauung im eigentlichen Sinn zukommen. Sie bleiben zeichenhaft hingeordnet auf etwas, das sie selbst nicht mehr adäquat zur Darstellung bringen können, weil dieses Ziel die Welt eschatologisch übersteigt.

 

Unterpfand des himmlischen Hochzeitsmahls

Unter den vielfältigen Bildern für die himmlische Wirklichkeit tragen die Worte vom „Mahl“ und von der „Hochzeit“ eine besondere Bedeutung, da sie in den Schriften des Neuen Testaments überliefert sind und wahrscheinlich auf Jesus selbst zurückgehen.

Die Tradition spricht von einer himmlischen Liturgie und versteht die irdische als deren Abbild. Die Kirche auf dem Pilgerweg erscheint als Realsymbol für die vollendete Koinonia mit Christus sowie untereinander, „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“. In dem, was die Kirche tut, verwirklicht sie, was sie selbst ist. Dabei kommt den Vollzügen des prophetischen Zeugnisses im Glauben (Martyria), der priesterlichen Feier der Verherrlichung Gottes (Leitourgia) und der königlichen Heilsgabe im Dienst am Nächsten (Diakonia) eine herausragende Bedeutung zu. Aufgrund ihrer komplexen Wirklichkeit ist die Kirche festgemacht in Jesus Christus, dem in der Herrlichkeit des Vaters vollendeten Sohn, und strahlt von hier aus das Evangelium in die Welt hinein.

Im kirchlichen Vollzug ragen die Feier der Taufe, der Firmung (des „Siegels“) und der Eucharistie in besonderer Weise hervor, da sie in grundlegender Weise die Gabe des Geistes und so die Gemeinschaft mit Christus verleihen, so dass in ihnen die Kirchengliedschaft begründet wird. Dabei handelt es sich um ein vom Geist gewirktes Werk (opus operatum), das entsprechend dem grundsätzlich dialogischen Freiheitsverhältnisses zwischen Gott und Mensch auf ein (intentionales) Mitwirken des menschlichen Partners (opus operantis) angelegt ist.

In der Feier der Eucharistie erscheint der Grundvollzug des kirchlichen Lebens zuhöchst verdichtet analog zur Verdichtung der Sendung Jesu in der Zeichenhandlung des Letzten Abendmahls. Gemäß der Selbstverfügung des Herrn über seinen Leib, wie es in den Begleitworten über Brot und Kelch zum Ausdruck kommt und so er den Seinen explizit Anteil an sich und seiner Sendung verliehen hat, nimmt die Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit daran teil und vollzieht die realsymbolische Zeichenhandlung der Eucharistie. Sie tut dies 1. im Modus der Anamnese, d.h. der realisierenden Erinnerung, worin sie sich partizipativ in Jesu geschichtlich vollbrachtes, geschichtstranszendierend vollendetes Werk verortet und sich darin vergegenwärtigt. Sie tut dies 2. im Modus der Epiklese, worin sie um diese Anteilgabe bittet. Und sie tut dies 3. im Modus der lobpreisenden Danksagung (Eucharistia) bzw. des danksagenden Lobpreises (Eulogia). So erscheint die Feier der Eucharistie als realsymbolische Zeichenhandlung schlechthin: als anamnetisch-epikletischer Vollzug im Modus eucharistisch-eulogischen Gedenkens, worin die Kirche Anteil an Jesus Christus und seiner Koinonia mit dem Vater im Heiligen Geist feierlich erbittet und ihrer wirklich teilhaftig wird.

Indem die Kirche auf ihrem irdischen Pilgerweg voranschreitet, Christus, ihrem Bräutigam entgegen, in dem sie zugleich gründet, vollzieht sie die Feier der Eucharistie als Unterpfand des himmlischen Hochzeitsmahls. Die Kirche lebt aus der Eucharistie und vollzieht in dieser Feier, was sie selbst ist. Die Eucharistie ist Existential der Kirche.

 

 

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Theologie der Eucharistie (Inhaltsverzeichnis)

Teil 1: Eucharistie als Inbegriff der Sendung Jesu
Basileia-Vorstellung in der Tradition Israels
Proklamation der Basileia als Zentrum der Sendung Jesu
Abba-Relation als innere Mitte der Sendung Jesu
eucharistische Teilhabe an Person und Sendung Jesu
Oster-Erfahrung als hermeneutischer Schlüssel
Christus-Verkündigung in österlicher Perspektive
trinitarische Tiefendimension der Sendung Jesu

Teil 2: Eucharistie als Realsymbol des Herrn (Dogmengeschichte)
Deuteworte Jesu beim Letzten Abendmahl
wesentliche Aspekte der dogmengeschichtlichen Entwicklungen
östlich-griechische Patristik
abendländisch-lateinische Patristik
fränkisch-germanisches Eucharistieverständnis
scholastische Theologie des Mittelalters
Reformation und Gegenreformation
theologische Neuorientierungen im 20. Jhd.

Teil 3: Eucharistische Teilhabe am Herrn 
(systematische Reflexion)

der neue Bund in Jesus Christus
pneumatisch-somatische Teilhabe an Jesus Christus
die Gabe der Gottunmittelbarkeit
Unterpfand des himmlischen Hochzeitsmahls

 

Die hier dargestellten geschichtlichen Entwicklungen dienen lediglich für einen ersten Überblick zur lirurgischen Seite der Eucharistie. Darüber hinaus sind auch die theologiegeschichtlichen Entwicklungen zu beachten.

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